Wie funktioniert und gelingt Requirements Engineering? Welche Aufgaben und Schritte gibt es dabei? Und wie ergibt sich durch Requirements Engineering der rote Faden für Anforderungen?
“Am Ende” des Requirements Engineering soll eine Zusammenstellung von Anforderungen zu einem Thema/Projekt stehen. Ob diese Zusammenstellung Anforderungsdokument heißt (links unten in der Abbildung) oder Lastenheft oder Backlog – die Aufgaben bis dorthin bleiben gleich.
Es gibt sechs Schritte, um an alle Aspekte rund um Anforderungen zu denken. Die sechs Schritte (rechts in der Abbildung) werden im Folgenden beschrieben. Durch sie bildet sich im Requirements Engineering der rote Faden für Anforderungen.

Vorbereitung
Zunächst bereiten Business-Analysten (Requirements Engineers) die weiteren Schritte vor. Dazu überlegen sie insbesondere, welche Stakeholder Anforderungen stellen und Requirements haben.
Es gilt zu planen und vorzubereiten: Wie komme ich an die Anforderungen der Stakeholder? Welche Erhebungs- und Ermittlungstechniken werde ich als Business Analyst im nächsten Schritt einsetzen?
Anforderungsermittlung
In zweiten Schritt des Requirement Engineering führen Business-Analysten die Ermittlungstechniken durch, die sie in der Vorbereitung geplant haben.
Drei verbreitete Ermittlungstechniken sind:
- Interview, bei dem Business Analysten mit den Stakeholdern sprechen und fragen, welche Anforderungen sie haben
- Workshop, bei dem mehrere Personen zusammenkommen, um gemeinsam Anforderungen zu erarbeiten
- Beobachtung beim Stakeholder (typischerweise an dessen Arbeitsplatz); damit können Business-Analysten insbesondere sehen, wie Stakeholder mit einem bestehenden System arbeiten; aus dieser Beobachtung lassen sich Anforderungen ableiten.
Neben den drei genannten gibt es weitere Ermittlungstechniken, vgl. z. B. diesen Blog-Artikel.
Eventuell zeigt sich, dass bei weiteren Stakeholdern Anforderungen zu ermitteln sind. Dann sollten Business-Analysten erneut den Schritt Vorbereitung durchlaufen, um beispielsweise weitere Workshops zu planen.
Anforderungspriorisierung
Im dritten Schritt priorisieren Business-Analysten die Anforderungen. Denn aus der Vielzahl der ermittelten Anforderungen ist es sinnvoll, die wichtigsten und relevantesten zu bestimmen. Welche Requirements sollen wirklich umgesetzt werden? Welche anderen Anforderungen sind (zunächst) zurück zu stellen, sollten unberücksichtigt bleiben oder sogar verworfen werden?
Es gibt verschiedene Kriterien, um Anforderungen zu priorisieren. Drei mögliche Priorisierungskriterien sind:
- gesetzliche oder regulatorische Vorgaben, die eine Umsetzung von Anforderungen mit sich bringen
- Oft gibt es Vorgaben hinsichtlich des Budgets und/oder der personellen Ressourcen. Daher stellen Business-Analysten die Frage: Welche Anforderung können in diesem Rahmen umgesetzt werden?
- Macht bzw. Autorität im Unternehmen: Immer wieder kommt es vor, dass Entscheidungsträger aufgrund ihrer Position oder Befugnisse bestimmte Anforderungen durchsetzen können. Dadurch werden andere Anforderungen möglicherweise verschoben oder gar nicht berücksichtigt.
Daneben sind weitere einzelne Kriterien oder eine Mischung aus Kriterien möglich, um Anforderungen zu priorisieren. Dazu zählen z. B. einzuhaltende Termine, Erfolgswahrscheinlichkeit bei der technischen Umsetzung, Umsetzungsaufwand.
Strukturierung
Der nächste Schritt ist die Strukturierung der Anforderungen. Wie kann ich als Business Analyst die Anforderungen gliedern? Zu welchen Kategorien können Anforderungen zusammengefasst werden? Eine Gliederung bzw. Kategorien helfen dabei, Übersichtlichkeit bei den Anforderungen zu gewährleisten bzw. herzustellen.
Zur Strukturierung gibt es unterschiedliche Ansätze. Zum Beispiel können Business Analysten alle Anforderungen zu Daten zusammenfassen, Anforderungen zu Layout oder Design unter eine eigene Überschrift bringen oder die nicht-funktionale Anforderungen (Qualitätsanforderungen) extra gruppieren.
Spezifizierung
In vielen Unternehmen und Projekten werden Anforderungen spezifiziert, d. h. in Textform dokumentiert. Dabei bietet es sich an, eine Satz-Schablone oder ein Text-Schema zu nutzen; damit berücksichtigen Business Analysten alle wesentlichen Punkte, die zu einer Detailanforderung gehören.
Eine weitere Möglichkeit Anforderungen zu spezifizieren sind User-Storys, die du hier ausführlich beschrieben findest.
Anforderungsmodellierung
Neben der textlichen Dokumentation können Business Analysten Anforderungen modellieren (vereinfacht ausgedrückt: grafisch darstellen). Hier bietet sich zum Beispiel die UML mit verschiedenen Diagrammtypen an, u. a. mit Aktivitätsdiagrammen zur Darstellung von Geschäftsprozessen. Aber auch andere Modellierungstechniken wie BPMN sind verbreitet. Weitere Notationen zur Prozessmodellierung findest du hier.
Spezifizierung (textliche Dokumentation) und Modellierung schließen sich nicht aus. Sie sollten ergänzend verwendet werden, denn sie bieten unterschiedliche Vorteile hinsichtlich Verständlichkeit und Genauigkeit.
Prüfung mit …
Nachdem Business Analysten spezifiziert und modelliert haben, führen sie die nächsten beiden Schritte durch, die sich unter dem Begriff Prüfung zusammenfassen lassen.
… Verifizierung
Verifizierung ist eine formale Prüfung. Business Analysten prüfen dabei, ob die spezifizierten (bzw. modellierten) Anforderungen sauber, richtig, vollständig, eindeutig und verständlich dokumentiert sind. Soweit es Vorgaben oder Richtlinien zur Dokumentation gibt, wird geprüft, ob diese Vorgaben eingehalten sind.
… und Validierung
Bei der Validierung prüfen Business Analysten, ob die Anforderungen zu den Zielen passen, die im Business Case (oder einem anderen Dokument) hinterlegt wurden. Werden tatsächlich Anforderungen verfolgt, die die Ziele erfüllen? Oder haben sich Anforderungen “eingeschlichen”, die für die Ziele irrelevant sind?
Validierung fokussiert also auf die Inhalte der Anforderungen und ihre Übereinstimmung mit den Zielen.
Genehmigung
Sind die beiden Schritte Verifizierung und Validierung erfolgreich durchlaufen, kann die Genehmigung herbeigeführt werden.
Business Analysten sind in der Regel nicht in der Position die Anforderungen (bzw. das Anforderungsdokument) zu genehmigen. Dies ist einem oder mehreren Entscheidern vorbehalten, z. B. der Bereichsleitung oder einem Lenkungsausschuss. Die Entscheider genehmigen die Umsetzung und Realisierung der Anforderungen (oder verweigern u. U. ihre Zustimmung).
Anforderungsmanagement
Neben diesen sechs Schritten gibt es mit Anforderungsmanagement ein weiteres Aufgabenfeld. Anforderungsmanagement steht im Mittelpunkt der o. a. Abbildung, weil die darin enthaltenden Aufgaben begleitend zu den sechs Schritten sind. Zu den Aufgaben des Anforderungsmanagements gehören insbesondere:
- Wo werden die Anforderungen verwaltet und gespeichert? Wird dazu zum Beispiel ein spezielles Anforderungsmanagement-Tool verwendet?
- Soll Traceability (Verfolgbarkeit) von Anforderungen betrieben werden? Hierzu werden zum Beispiel Verbindungen zwischen den Anforderungen und den Komponenten in der Lösung hergestellt, um später nachvollziehen zu können, welche Anforderungen wo und wann umgesetzt werden.
Dies sind die sechs Schritte des Requirements Engineering: der rote Faden für Anforderungen – von der Vorbereitung bis zur Genehmigung … plus Anforderungsmanagement als begleitendes Aufgabenfeld.
Übergreifende Aspekte (links in der Abbildung)
Business Analyse und Requirements Engineering sind Teamarbeit. Der Versuch, Anforderungen alleine zu ermitteln, zu dokumentieren, zu analysieren, ist zum Scheitern verurteilt.
Dass dabei nicht immer alles “rund läuft”, kennt wahrscheinlich jeder von uns. Daher ist in der Abbildung links oben Teamarbeit und Konfliktmanagement aufgeführt (Infos zu diesem Thema findest du z. B. hier im Abschnitt “Change Management” oder hier).
Stakeholder sind nicht nur wichtige Quellen von Requirements; sie sollten auch in allen Schritten berücksichtigt werden. Daher sind die Stakeholder links mittig in einem eigenen Kasten der obigen Abbildung aufgeführt – als die wichtigsten Beteiligten.
Auf das Anforderungsdokument als Zusammenstellung der Anforderungen (links unten in der Abbildung) sind wir schon zu Beginn dieses Blog-Artikels eingegangen.
Jetzt bist Du gefragt …
… falls du die Schritte des Requirements Engineerings und den roten Faden in einem Video erläutert haben möchtest, schau gerne hier rein.
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